Georoute Ebbegebirge: Enthüllung der ersten Informationstafel am Museumsbahnhof Hüinghausen.

In den vergangenen Wochen waren am Museumsbahnhof Hüinghausen Bagger und Räumfahrzeuge des Bauhofs der Gemeinde Herscheid unterwegs, um die gegenüber dem Bahnhofsgebäude  im Böschungsanschnitt verborgenen Gesteinsschichten über eine Länge von 150 Metern und eine Höhe von drei Metern freizulegen. In Zusammenarbeit mit den Hamburger Geologen Prof. Dr. Martin Wiesner und Dr. Kay Heyckendorf wurde damit ein wissenschaftlich bedeutender  geologischer Aufschluss mit seinen einzigartigen Fossilien  wieder zugänglich gemacht.

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 Die Gesteine dokumentieren den Übergangsbereich zwischen den Erdzeitaltern Silur und Devon und reichen etwa 420 Millionen Jahre zurück. Außergewöhnlich ist eine hier vorkommende Gruppe ausgestorbener Meeresbewohner, die Scyphocrinoiden („Becherlilien“). Diese zu den Seelilien gehörende Tierfamilie ist dadurch gekennzeichnet, dass sich an ihrem Stielende ein kugelförmiges Organ befindet, das als gasgefüllte Treibboje gedeutet wurde, an der sie „kopfüber“ im lichtdurchfluteten Oberflächenwasser hängend im Meer drifteten. Vertreten wird auch die Auffassung, dass das Organ als ein auf dem Meeresboden liegender Schleppanker wirkte und das Tier dadurch Verlagerungen auf dem Sediment durch heftige Stürme intakt überstehen konnte. Ob schwebend oder auf dem Boden verankert, mit bis zu 3 Meter langen Stielen gehören die Becherlilien zu den beeindruckendsten Organismen des Paläozoikums. Deren Vorkommen am Bahnhof Hüinghausen zählt zu den ältesten Seelilienfunden im Rheinischen Schiefergebirge.

Am 8. Oktober wurde nun am Bahnhofgebäude im Beisein von Bürgermeister  Uwe Schmalenbach, Bauamtsleiter Lothar Weber, Bauhofleiter Thomas Deitmerg eine Infotafel enthüllt. Mit direktem Blick auf die sichtbaren Gesteine können die Besucher hier Einzelheiten über die Entstehung, das Alter und den Fossilinhalt  des geologischen Aufschlusses  erfahren. Über einen auf der Tafel angebrachten QR-Code lassen sich weitere Informationen – hinterlegt auf der Website der Gemeinde Herscheid – abrufen. Die Tafel steht am Anfang der Schaffung einer Georoute durch das Ebbegebirge mit weiteren geologischen Aufschlüssen.

Der Ebbe-Raum ist eines der geologisch interessantesten Gebiete des Rheinischen Schiefergebirges, da hier zum einen die ältesten Gesteine des rechtsrheinischen Schiefergebirges auftreten und zum anderen sich hier auf engsten Raum die erdgeschichtliche Entwicklung des Sauerlandes, aber auch Deutschlands,  über einen Zeitraum von etwa 80 Millionen Jahren  verfolgen lässt.

Vor etwa 465 Millionen Jahren begann die faszinierende Weltreise der Region des heutigen Ebbegebirges. Durch plattentektonische Prozesse gesteuert, driftete der Ablagerungsraum aus dem Bereich des Südpols über den Äquator in nördliche Breiten. Er durchquerte dabei verschiedene Klimazonen mit unterschiedlichen ozeanischen Strömungsverhältnissen und Temperaturen, durchlebte drastische Meeresspiegelschwankungen und globale Klimaveränderungen und erfuhr eine der größten Vulkaneruptionen des Unterdevons mit einer Fördermenge von mindestens 400 km3.

Die Veränderungen der Umwelt während dieser Reise lassen sich an den entlang der geplanten Georoute vorkommenden Gesteinen und Fossilien  wie in einem Buch ablesen. Sie reichen von hochmarinen Bedingungen über Schelfmeer-Verhältnisse bis zu landnahen, deltaischen oder landfesten Bedingungen und der Besiedelung mit ersten Landpflanzen. Die in Sättel und Mulden gefalteten Gesteinsschichten und deren Verwerfungen dokumentieren die enormen Kräfte, die bei der Auffaltung des Ebbegebirges gewirkt haben.

Die Georoute soll auch zeigen, wie sehr diese „Geodiversität“ das Landschaftsbild des Ebbe-Raums und das Leben seiner Bewohner prägte und auch heute noch prägt. So finden sich in den Tälern weiche Tonschiefer, deren Verwitterungsprodukte Böden mittleren Nährstoffgehaltes bilden und Landwirtschaft ermöglichen. Die aus hartem Sandstein bestehenden Höhenzüge werden wiederum forstwirtschaftlich genutzt. Verfaltung, Zerklüftung und Verwerfungen des Gesteinsverbandes bestimmen die Wasserwegsamkeit mit und tragen so zur Menge des nutzbaren Grundwassers für die Versorgung der Bevölkerung, der Industrie und des Handwerks bei. Die Tonschiefer sind zudem als Wasserstauer für die Anlage von Rückhaltebecken von Bedeutung, können aber aufgrund ihrer Quellfähigkeit bei Wasseraufnahme bei Bauwerken für große Probleme sorgen. Die zahlreichen Steinbrüche in aus Sandsteinen bestehenden Schichten belegen den Wert der Gesteine für den Häuser- und Straßenbau. Verwerfungszonen der Gesteinsschichten dienten als Aufstiegswege für metallhaltige Lösungen und führten zur Entstehung lokaler Erzlagerstätten, die noch im 19. Jahrhundert abgebaut und metallverarbeitenden Betrieben zugeführt wurden.

Das Lesen und Berühren von Jahrmillionen an Erdgeschichte vertieft unser Wissen über die Entwicklung der Erde und ihres Klimas und zeigt uns, dass sich das Gesicht der Erde stetig wandelt. Die Georoute soll dieses Bild auch für den Laien verständlich machen: Sie versteht sich als Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Tourismus und als außerschulischer Lernort.  Die Erhaltung dieses erdgeschichtlichen Naturerbes auch für nachfolgende Generationen sollte unsere Verpflichtung sein.